Fähigkeiten

Der eigentliche Kern des Systems sind die Fähigkeiten, die bestimmen, zu was ein Charakter fähig ist. Alles ist im System über diese Fähigkeiten geregelt, und entsprechend umfangreichist auch der folgende Abschnitt, der die Funktionen der Fähigkeiten, die Möglichkeit der Fähigkeitsproben und deren Auswirkungen beschreibt.

Später in diesem Buch werden einige Fähigkeiten für verschiedene Spielszenarien vorgestellt, die ausreichen, um Fantasy, Cyberpunk und Science-Fiction Abenteuer zu spielen. Es ist relativ einfach, eigene Fähigkeiten zu erfinden, solange man Phantasie mitbringt.

Im Gegensatz zu den Eigenschaften, die Angeborenes darstellen, beschreiben die Fähigkeiten Gelerntes und Trainiertes. Erst beides zusammen beschreibt die Qualität einer Handlung.

So ist es wichtig, daß eine Fähigkeit nie allein eine Handlung beschreiben kann, sondern nur im Zusammenhang mit Eigenschaften wirkt. Zwei Beispiele sollen dies verdeutlichen:

Ein Charakter schwimmt. Wie gut ihm dies gelingt hängt nicht allein von seinen erlernten Schwimmenfertigkeiten ab, sondern auch von seinen Eigenschaften, vor allem von seiner Geschicklichkeit und seiner Körperkraft.

Ebenso sagt die Fähigkeit ,,Lesen`` alleine nicht alles über die Fähigkeiten eines Wesens aus, auch schwere Texte zu verstehen und Schlüsse daraus zu ziehen, sondern auch dessen Weisheit und Klugheit sind wichtig.

Die Werte, die die Qualität einer Fähigkeit zeigen, bewegen sich ähnlich wie die der Eigenschaften zwischen einem negativen Wert und 2000 (mit wenigen Ausnahmen aber dazu weiter unten mehr). Wie weit ein Charakter also in einer bestimmten Fähigkeit bewandert ist, kann direkt am Fähigkeitswert abgelesen werden. Negative Werte zeigen wenig Können, positive Werte sagen, daß ein Wesen zumindest schon ein wenig Wissen und Training ansammelte auf dem Weg, ein absoluter Meister zu werden.

Zu jeder Fähigkeit gehört ein absoluter Grundwert, der einen absoluten Anfänger beschreibt, der sich noch kein bißchen mit dieser Fähigkeit beschäftigte. Jeder Charakter beherrscht also in irgendeiner Weise jede nur denkbare Fähigkeit. Nähere Informationen zu diesem Grundwerten wird der nächste Abschnitt geben.

Spezialisierung

Der Großteil der Fähigkeiten setzt sich aus zwei Teilen zusammen, der Grundfähigkeit und der Spezialisierung. Während die Grundfähigkeiten immer ganze Bereiche von Betätigungen abdecken, stehen die Spezialisierungen für Teilbereiche. Z.B. ist Fingerfertigkeit eine Grundfähigkeit und Taschendiebstahl oder Fangen sind Spezialisierungen dazu. Die Grundfähigkeiten stellen in einer abstrakten Art die Gemeinsamkeiten ähnlicher Spezialisierungen dar.

Der Wert der Spezialisierung bewegt sich wie der Wert der Grundfähigkeit zwischen einem meist negativen Grundwert und 2000. Der Fähigkeitswert einer Spezialisierung ist ihr eigentlicher Wert plus der Wert der zugehörigen Grundfähigkeit.

Wenn im Folgenden von einer Fähigkeitsprobe gesprochen wird, dann ist in der Regel eine Probe auf eine Spezialisierung gemeint. Proben auf Grundfähigkeiten kommen nur selten vor, meistens in Fällen, in denen keine Spezialisierung bekannt ist (s.u.).

Fähigkeitsproben

Eine Fähigkeitsprobe zeigt, wie gut oder schlecht eine Fähigkeit angewendet wird. Eine Fähigkeitsprobe kann nicht gelingen oder mißlingen, das Ergebnis ist immer ein Zahlenwert, der zeigt wie gut oder schlecht die Probe absolviert wurde.

Bei jeder Fähigkeit sind zwei Eigenschaften angegeben, die zur Fähigkeitsprobe nötig sind. Wenn eine Probe auf eine Spezialisierung verlangt ist (der Normalfall) werden die Eigenschaften verwendet, die mit der Spezialisierung angegeben sind. Die Probe besteht aus drei Teilen.

  1. Einer Probe auf die erste Eigenschaft (siehe Eigenschaften). Das Ergebnis merken, eine mißlungene Probe zählt 0.
  2. Einer Probe auf die zweite Eigenschaft. Das Ergebnis dieser Probe wird zum Ergebnis der ersten Probe hinzugezählt, wieder zählt eine mißlungene Probe als 0.
  3. Der Wert der angewendeten Fähigkeit (Grundfähigkeitswert + Spezialisierungswert) wird zur Summe der beiden Würfe hinzugezählt. Das Ergebnis ist die Probenschwere, die zeigt wie gut die Probe gelang.

Zusatzregel: Wird bei einer Eigenschaftsprobe eine 20 mit W20 gewürfelt, gilt die Probe als besonders schlecht gelungen. Ein zweiter Wurf mit W20 und W100 muß erfolgen, das Ergebnis wird vom Gesamtergebnis der Fähigkeitsprobe abgezogen.

Charaktere, die schon gewisse Fertigkeiten erworben haben (und dies auch durch einen hohen Fähigkeitswert belegen können), müssen also nicht fürchten, total zu versagen. Selbst wenn beide Eigenschaftsproben mißlingen, ist immer noch der Fähigkeitswert im Endergebnis der Probenschwere enthalten.

Auf der anderen Seite können Charaktere, die zwar eine Fähigkeit nicht besonders gut beherrschen, aber über hohe Eigenschaftswerte verfügen, dennoch versuchen, eine große Probenschwere zu erreichen. Der sichere Anteil ist aber, wie man aus der Probe leicht sehen kann, der Fähigkeitswert an sich. Eine Probe ohne guten Fähigkeitswert ist deshalb immer mit Risiken verbunden.

Es kann passieren, daß äußere Einflüsse eine Probe erleichtern oder erschweren. Dies wird dann durch Boni oder Mali auf die Probenschwere simuliert. Ein Schwimmer, der Hilfsmittel wie Flossen, Schnorchel und Maske benutzt, kann bessere Ergebnisse erzielen, als ein Schwimmer ohne diese Hilfen. Der Spielleiter wird diesem Schwimmer also z.B. einen Bonus von +500 auf seine Probe gewähren, was heißt, daß zur Probenschwere am Ende noch 500 Punkte hinzugezählt werden.

Wenn im Spielverlauf die Handlung eine Probe verlangt, für die der Spielleiter keine passende Spezialisierung weiß, dann kann er den Spezialisierungswert anhand der Grundwerte der bekannten Spezialisierungen abschätzen und dann eine Fähigkeitsprobe mit der Grundfähigkeit plus diesem Bonus/Malus verlangen. Die Grundfähigkeit gewährleistet, daß ein Charakter, der ähnliche Fähigkeiten beherrscht, auch in einem solchen Fall eine gute Probe ablegen kann.

Auswertung der Proben

Die folgenden Richtlinien helfen Fähigkeitsproben auszuwerten. Dem offenen Systemkonzept folgend, ist es unmöglich, für jede denkbare Fähigkeit zu zeigen, wie gut eine Probe gelingen muß. Deshalb sollen diese Richtlinien dem Spielleiter Maßstäbe und Methoden geben, die ihm die Entscheidungen erleichtern.

Man kann eine Fähigkeitsprobe auf verschiedene Arten auswerten. Fähigkeiten, die meist zwei gegnerische Parteien betreffen, können durch die vergleichende Probe ausgewertet werden. Fähigkeiten, die nur den Charakter betreffen, sollten als absolute Probe bemessen werden. Sehr praktisch ist es außerdem, wenn die Situation es erlaubt, direkt die Probenschwere weiterzuverarbeiten.

Die vergleichende Probe wird benutzt, wenn sowohl der Spielercharakter, als auch andere Wesen Einfluß auf die Auswirkungen der Probe haben können. Das Prinzip ist recht einfach. Der Charakter würfelt eine Fähigkeitsprobe und gibt seine Probenschwere bekannt. Der Gegenspieler würfelt eine entsprechende Gegenprobe, und seine ermittelte Probenschwere wird mit der des Charakters verglichen. Der Sieger ist der mit der höheren Fähigkeitsschwere, wobei der Spielleiter aus dem Unterschied der Proben leicht ermitteln kann, wie knapp der Sieg ausfiel.

Ein Beispiel: Ein Charakter will sich an einer Wache, die ihm den Rücken zuwendet, vorbeischleichen. Er würfelt eine Probe für die Fähigkeit ,,Schleichen``. Die ermittelte Probenschwere für diese Probe soll für dieses Beispiel 960 betragen.

Die Wache, die natürlich nichts vom Schleichversuch weiß, würfelt (bzw. der Spielleiter würfelt) eine Probe auf die Fähigkeit ,,Wahrnehmung``, die die nicht bewußte Wahrnehmung regelt. Die Probenschwere der Wache beträgt 880. Da der Charakter eine größere Probenschwere erreichte, schleicht er besser als die Wache wahrnimmt und kommt unbemerkt vorbei. Das Ergebnis war recht knapp, der Spielleiter könnte entscheiden, daß der Wache aus dieser Situation zumindest ein schlechtes Gefühl bleibt und sie sich entschließt, ihren nächsten Rundgang früher zu beginnen.

Eine absolute Probe zu bestehen heißt, mit der Probenschwere einen höheren Wert zu erwürfeln als die Situation oder der Spielleiter vorschreibt.

Wie hoch der zu erlangene Wert sein soll, kann eigentlich nur von Situation zu Situation entschieden werden, und jeder Spielleiter sollte sich gut überlegen, welche Proben er verlangt. Unter den Fähigkeitsbeispielen und in den Kapiteln Ergänzende Regeln und Hilfen für den Spielleiter sind Beispiele, die diese Entscheidungen erleichtern, und auch bei vorgefertigten Abenteuern wird immer die zu erreichende Probenschwere angegeben.

Dem Spielleiter ist mit der Festsetzung der zu erzielenden Werte eine Möglichkeit gegeben, den Spielablauf einfach zu steuern. Ein hoher Probenwert kann z.B. dazu führen, daß nur ein Könner die Probe bestehen kann oder es nur mit Hilfsmitteln möglich ist. Auch zeigt sich schon bei mittelschweren Proben, welcher Charakter sich mehr in eine bestimmte Richtung entwickelt hat, und wer wofür begabt ist.

Die folgende Tabelle gibt einige Richtwerte wie schwer eine entsprechende Probe einzuordnen ist. Der Spielleiter kann die Probenschwere dadurch mit einer ,,subjektiven`` Einschätzung der Situation in Worten verbinden. Die Tabelle ist allerdings nicht allgemeingültig und sollte auch nur solange verwendet werden, wie der Spielleiter noch kein Gefühl für die Probenschwere entwickelt hat.

Situation Probenschwere
sehr sehr leicht 0
sehr leicht 400
leicht 800
mittel leicht 1000
mäßig leicht 1200
mittel 1600
mäßig schwer 1900
mittel schwer 2200
schwer 2500
sehr schwer 3000
extrem schwer 4000
fast unmöglich 5000

Schwierig wird die Einschätzung, wenn die Proben durch Hilfsmittel erleichtert werden. Eine Probe, bei der die Gegenseite auf die Hilfsmittel reagieren kann, sollte in der Tabelle verschoben werden.

Ein Decker, dem zum Einbruch in ein Datensystem ein Utillity zur Verfügung steht, das eigentlich jeder Decker hat, und das die Probe um +500 verbessert, sollte im Datensystem auch auf ,,normale`` Abwehrprogramme stoßen, so daß ein leichter Einbruch nun bei 900-1000 und nicht bei 400 liegt.

Eine Kletternprobe, um einen Berg mit Hilfsmitteln zu besteigen, sollte dagegen nach obenstehender Tabelle eingeschätzt werden, da der Berg nicht den Kletterer ,,abwehrt``.

Am einfachsten ist die Entscheidung für den Spielleiter natürlich bei Fähigkeiten, deren Probenschwere direkt weiterverrechnet werden kann. Der Spielleiter könnte z.B. festlegen, daß die Probenschwere einer Feilschenprobe geteilt durch 100 sofort den Preisnachlaß in Prozent angibt. Wenn es irgendwie möglich ist, sollte sich der Spielleiter immer solche Regeln vor dem Spiel zurechtlegen.

Eigene Fähigkeiten

Obwohl das System schon viele ,,vorgedachte`` Fähigkeiten zum Spielen bietet, werden die meisten Spielgruppen eigene Fähigkeiten entwerfen, da in vielen Fällen dadurch gerade der Reiz des Rollenspiels verstärkt wird, besteht doch die Möglichkeit, eine eigene, einzigartige Spielumgebung zu schaffen.

  • Zuerst einmal sollte eine neue Fähigkeit darauf überprüft werden, ob es vielleicht als Teil einer anderen Fähigkeit bereits existiert bzw. eine Spezialisierung einer bestehenden Fähigkeit darstellt.
  • Nun folgt die Einordnung der Fähigkeit in eines der Begabungsgebiete. Am besten orientiert man sich zu diesem Zweck an den vorgegebenen Fähigkeitsbeispielen. Als Richtlinien können folgende Grundsätze dienen:

    • Unter Kampffertigkeiten sollten nur Fähigkeiten eingeordnet werden, die den persönlichen Gebrauch von Waffen im Kampf beschreiben. Der Umgang mit Waffen, die andere Fähigkeiten als die eines Kämpfers erfordern, wie z.B. der Kampf mit den Geschützen eines Raumschiffs über große Entfernungen, gehören nicht in dieses Gebiet.
    • Fähigkeiten der Kapitel Magie und Spirituelles sollten direkt Zaubersprüchen entsprechen.
    • Körperbeherrschung umfaßt Fähigkeiten, die vor allem durch körperliches Training erzielt werden. Auch hier ist natürlich in vielen Fällen keine eindeutige Zuordnung möglich. Ein Beispiel: Ein Auto der heutigen Art zu fahren ist eine Fähigkeit aus dem Gebiet der Körperbeherrschung. Ein computergesteuertes Auto zu ,,fahren``, das mehr programmiert als vor Ort gesteuert wird, sollte dagegen durch eine Fähigkeit des Gebietes Wissen gelenkt werden.
    • Fähigkeiten des Gebietes Wissen stellen einen anderen Schwerpunkt neben Körperbeherrschung dar. Fertigkeiten, die vor allem geistiges Training und logisches Denken erfordern, gehören in dieses Gebiet.
    • Umwelt-Fähigkeiten beschreiben die Einflußnahme auf die Umgebung eines Charakters. Sowohl Fantasyfähigkeiten, die in der Wildnis Anwendung finden und typische Handwerke umfassen, als auch Science-Fiction-Fähigkeiten für die Unendlichkeit des Weltraums werden hier zusammengefaßt.
    • Zwischenmenschliche Fähigkeiten schließlich helfen einem Charakter, mit anderen Charakteren umzugehen.
  • Danach sollte die neue Fähigkeit als Spezialisierung einer Grundfähigkeit zugeordnet werden.
  • Als nächstes muß sich ein Fähigkeitenerfinder überlegen, welche zwei Eigenschaften er der neuen Fähigkeit zuordnen will. Die Eigenschaften können die durch die Fähigkeiten beschriebene Fertigkeit unterstützen oder Fehler, die bei der Ausübung der Fähigkeit passieren, ausgleichen. Ein Beispiel: Die Fähigkeit ,,Kochen`` soll als Fähigkeit des Gebietes Zwischenmenschliches erstellt werden. Als Eigenschaften bieten sich ,,Weisheit`` und ,,Charisma`` an. Das erste zur Unterstützung des Gelernten, das zweite, da Eingebungen nicht nur Gerichte interessant machen, sondern auch mißlungene Gerichte retten können.
  • Die Regeln für das Erlernen und Verbessern der Fähigkeiten und auch wie die Fähigkeiten eines Charakters erstellt werden, bedürfen noch einiger Erläuterungen in den nächsten Kapiteln. Sie erfolgen später, zusammen mit der eigentlichen Anwendung neuer Fähigkeiten, im Kapitel Charaktererschaffung . Erst dort werden die Anwender der Fähigkeiten ,,geboren``. Die noch zu erläuternden Werte dienen ausschließlich dem Entwurf der neuen Charaktere.