Um einen Einblick in den Spielablauf zu geben, hier eine
typische Szene aus einem typischen Rollenspielabend:
Bijin, die Elfenmagierin, und ihre Freunde, Para und Thorndal,
befinden sich schon seit einiger Zeit in einer großen Stadt.
Spielleiter: ,,Als ihr die Straße entlangschlendert, hört
ihr aus einer
Seitenstraße einen Hilferuf. Der Stimme nach war es eine
Frau.``
Bodo (Spieler von Para): ,,Para zieht seinen Degen und läuft zu
der
Seitenstraße hin.``
Frank (Spieler von Thorndal): ``Ich (womit er Thorndal meint) ziehe
meine
Axt und laufe meinem Freund hinterher.``
Tina (Spielerin von Bijin): ,,Ich (auch sie meint ihren Charakter)
sehe mich
auf der Straße, die wir entlanglaufen, nach einigen Wachen um,
die
uns vielleicht helfen können.``
Spielleiter: ,,Bijin sieht keine Wachen, die anderen beiden kommen in
drei
Sekunden an der Seitenstraße an.``
Tina: ,,Bijin läuft dann ihren Freunden hinterher.``
Spielleiter: ,,Bijin kommt, weil sie keine Waffe zieht und keine
Rüstung trägt,
nur eine Sekunde nach den anderen an der Seitenstraße an.
Ihr seht alle, wie ein menschenähnliches
Wesen eine Frau in ein Haus hineinschleift und ihr den Mund
zuhält.``
Frank: ,,Ich schreie ,Laß die arme Frau los, du Ungeheuer`und
renne auf
ihn zu.``
Bodo (etwas unschlüssig): ,,Ich sehe mich erst einmal in der
Straße um.``
Tina: ,,Ich schau mir auch erst mal die Straße genauer an.``
Spielleiter (nach einigem Würfeln): ,,Bijin fällt eine
Schwertspitze auf, die
hinter einem Müllhaufen, der sich am Rand der Straße
befindet,
hervorragt.``
Tina: ,,Ich schreie ,Vorsicht Thorndal, das ist eine Falle!``
So oder vieleicht ganz anders könnte ein Fantasyrollenspiel
verlaufen.
Dieser kleine Auszug
zeigt, wie der Spieler in die Rolle seiner Rollenspielfigur
schlüpft.
Nicht nur Fantasy läßt sich mit den vorgefertigten
Vorschlägen aus dem Teil
Welten
spielen. Die drei folgenden Geschichten
sollen helfen, sich ein wenig in das Gefühl hineinzufinden,
das Rollenspiele erst wirklich interessant macht:
Das Gefühl, in einem
spannenden Roman mitzuspielen und die Handlung als der Held der
Geschichte
zu beeinflussen.
Der Händler sah, soweit Bijin das mit Ihrer doch recht guten
Menschenkenntnis einschätzen konnte, vertrauenerweckend aus. Den
,,ruhigen``
Job als Karavanenwachen hatten sie sich verdient, nachdem die halbe
Welt
sie durch die andere Hälfte der Welt gejagt hatte.
Bijin seufzte leise. Seit sie die
Magierschule vor drei Jahren verlassen hatte, um nach neuen
Erkenntnissen
und verborgenen Geheimnissen der Magie zu suchen, ergab sich kaum ein
Moment der Ruhe, geschweige denn eine Möglichkeit des Studiums.
Eigentlich sprach also
nichts dagegen, mit einer unbeladenen
Karavane durch ungefährliches Gebiet zu reisen
und dabei auch noch Geld zu verdienen. Woher nur kam dann dieses
ungute
Gefühl?
,,Hey, Elfe, magste was Lustiges hören?``
Bijin öffnete die Augen und blickte in das Gesicht des breit
grinsenden
Zwerges.
,,Verzieh dich, Thorndal`` murmelte sie als Antwort, während sie
die
Augen wieder schloß und sich zur Seite drehte.
,,Na gut, dann singen die Barden nur über mich,
nachdem ich den Orks mal gezeigt habe, was ein Axthieb ist.``
,,Barde? Orks? Axt? Moment, Moment, was redest du da?`
Thorndal antwortete nicht, sondern hielt Ihr einen beschriebenen
Zettel
vors Gesicht. Bijin überflog schnell den Inhalt. Dann sah sie
auf, und ihr
Blick sagte Thorndal, daß sie sich nicht über das Ziel ihrer
Karawane freute.
Wie lange stand er schon hier? Der Regen traf um ihn herum leise
zischend auf den Asphalt. Sein grober Trenchcoat schützte ihn vor
ätzenden Spritzwasser. Die Luft erzeugte einen bitteren
Geschmack in seinem Mund.
Die Autos fuhren an ihm vorbei, Passanten
beachteten ihn nicht. Über ihm zogen einige Nahverkehrsgleitbusse
durch
die Straßenschlucht und langsam gingen immer mehr Lichter in der
Arcologie
auf der gegenüberliegenden Straßenseite aus. Dann kam das
Signal.
Eine kurze Nachricht wurde in seine Augen eingeblendet. Nur zwei
Wörter: ,,Go shopping``. Er ging los. Langsam überquerte er
die Straße und
machte währenddessen die Waffe unter seinem Mantel klar. Er
schritt durch
die Tür und betrat die Eingangshalle. Die Detektoren in den
Wänden
sprachen nicht an. Alles lief wie geplant. Seine geübten Augen
bemerkten außer dem Portier noch zwei Wachmänner an den
Fahrstühlen und
eine Frau, die gerade aus einem Taxi vor der Tür ausstieg. Das
Taxi blieb
mit laufendem Motor stehen, während die Frau die Vorhalle
betrat.
Plötzlich wurde der Portier nervös. Er hatte einen kurzen
Blick auf die
Monitore geworfen.
Hover mußte handeln. Er hob wie selbstverständlich die Hand
mit der Waffe
und gab einen einzigen Schuß auf den Portier ab. Das extra
dafür
ausgesuchte Geschoß, das an oberster Stelle im Magazin war,
durchdrang die
Sicherheitsglaswand genau an der empfindlichen Sprechöffnung und
traf den
Mann in die Brust. Er fiel nach hinten um.
Seine hochgepuschten Reaktionen verliehen ihm die nötige
Geschwindigkeit
für die folgenden Aktionen. Er schnellte sich zur Seite und
rollte über die
Schulter ab. Die beiden Wachen zielten ins Leere.
Plötzlich erklang ein dumpfer Schlag. Ein Raketengeschoß
zerfetzte den
Oberkörper des einen Wachmanns.
Blizz schoß sofort noch einmal mit ihrem schweren Revolver und
riß dem zweiten Wachmann, der verblüfft herumwirbelte, das
linke Bein weg.
Hover nickte Blizz zu, die mit dem Revolver noch im Anschlag eine
ihrer
blonden Haarsträhnen aus dem Gesicht pustete, und ging bis zur
Kabine
des Portiers. Ihre Erregung hatte er an den unter den
Fingernägeln
hervorstehenden kleinen Klingen bemerkt. Er holte einen
Bolzenhauer aus seiner Umhängetasche und zerschlug damit das
Schloß der
Kabinentür. Die Fahrstühle würden sich von jetzt an
für genau zwei Minuten
nicht bewegen. Dafür sorgte ihr dritter Mann am Computer. In der
Kabine
stellte Hover fest, daß alle Bildschirme der Vorhallenkameras
die
verabredete Simulation zeigten. Niemand würde später auf
den
Aufzeichnungen etwas erkennen können. Er schob die Magnetkarte
mit dem
kleinen Kasten daran in den richtigen Slot und ging zu Blizz. Ihr
einen
flüchtigen Kuß in den Nacken gebend, legte er seinen Arm um
ihre Hüften.
Beide verließen zusammen die Halle, stiegen in das Taxi und
verschwanden
in der Nacht.
Die Luft war frisch. Es tat gut, sie zu atmen. Der klare
Himmel ließ den Planeten größer erscheinen und zeigte
die Sterne in ihrer
ganzen Pracht. Obwohl er keines der Sternbilder kannte, fühlte er
sich zu
Hause. Da oben lag die Zukunft.
Entspannt schweifte sein Blick über die unter ihm liegende Ebene.
Einige
Tiere huschten durch die Nacht.
Er hatte sich, wie schon so oft, freiwillig für die letzte
Außenwache
gemeldet. Es war immer etwas Besonderes, die letzten Stunden allein
ohne
das ewige Summen der Maschinen und ohne das leichte Vibrieren unter
den
Schuhen zu verbringen, die frische, ungefilterte Luft zu atmen.
Irgendwann in finsterer Vergangenheit hätte er wahrscheinlich
jetzt
genüßlich eines dieser brennenden, Giftstoffe enthaltenden
Röhrchen im Mund
gehabt. Der Gedanke allein ließ ihn erschauern. Die Natur hier
war noch so,
wie man es aus den Holofilmen kannte.
Er lehnte sich gelassen zurück und beobachtete, wie sich langsam
die
Helligkeit des anbrechenden Sonnenaufgangs über den Horizont
ausbreitete.
Etwas Wind kam auf.
Auf das Signal hin erhob er sich und ging hinein. Hinter ihm
schloß sich die Luke langsam. Die Triebwerke zündeten und
das Raumschiff
erhob sich gemächlich in den Morgenhimmel. Vögel stoben aus
den umliegenden
Bäumen und gazellenartige Tiere rannten ängstlich davon.
Dann drang das
Schiff in den Weltraum vor.
Er saß vor einem Bildschirm und warf noch einen letzten Blick
zurück, bevor
er das Kommando zum Beginn der Überlichtetappe gab. Wieder einmal
hatte er sich
für ein paar Tage in der Fremde zuhause gefühlt.